Im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts FONDECYT 1231707 untersucht ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des chilenisches Antarktisinstituts (INACH) und der Universidad de Magallanes (UMAG), wie sich Gletscher im äußersten Süden Südamerikas und im Norden der Antarktis unter dem Einfluss des Klimawandels verändern. Ein besonderer Fokus liegt auf der Bellingshausen-Eiskappe auf King George Island in der Antarktis.
Auf Einladung des INACH führte Dr. Steffen Vogt von der svGeosolutions GmbH im Februar 2025 mehrere Drohnenbefliegungen zur hochauflösenden Erfassung der Gletscherfront durch. Ziel der Befliegungskampagne war es, aktuelle und präzise Geländemodelle und Orthophotos zu gewinnen, die als Grundlage für ein langfristiges Monitoring dienen. Andere Möglichkeiten, an Daten vergleichbarer Aktualität zu kommen, gibt es nicht.
Intensive Forschung auf der antarktischen King George Island
King George Island liegt im äußersten Norden der Antarktischen Halbinsel und gehört zu den südlichen Shetlandinseln. Aufgrund der vergleichsweise guten Erreichbarkeit und der etwas gemäßigteren klimatischen Bedingungen hat sich die Insel zu einem der wichtigsten Forschungsstandorte in der Antarktis entwickelt. Mehr als ein Dutzend internationaler Forschungsstationen befinden sich hier – darunter auch die chilenischen Basen Presidente Eduardo Frei Montalva und Escudero, die russische Bellingshausen-Station und die uruguayische Artigas-Station.
Die Insel ist von einer Eiskappe mit einer Vielzahl kleinerer Auslassgletscher bedeckt, die stark auf klimatische Veränderungen reagieren. Die Bellingshausen-Eiskappe im Nordwesten der Insel ist dabei besonders gut geeignet, um Gletscherrückgang und die Veränderung angrenzender Ökosysteme zu untersuchen. Die Nähe zur offenen See, wechselhafte Wetterbedingungen und das Vorkommen eisfreier Flächen machen King George Island zu einem idealen Ort für interdisziplinäre Klimaforschung.
Ökosysteme verändern sich
Die Einsatzgebiete lagen an der Gletscherkante sowie im Gletschervorfeld, einem Bereich von großer ökologischer Bedeutung. Die Region ist geprägt von raschem Rückzug des Eises und raschen Veränderungen im Gelände und in den Ökosystemen. In den eisfreien Flächen gedeihen Moose und die antarktische Grasart Deschampsia antarctica, deren Standorte ebenfalls kartiert wurden. Die mit der Drohne aufgenommenen Daten ermöglichen es, diese Areale detailliert zu analysieren und mit den am Boden erhobenen Vegetationsdaten in Beziehung zu setzen.
Höchste Genauigkeit dank präziser Planung
Zum Einsatz kam eine leistungsstarke Drohne mit einer hochauflösende RGB-Kamera sowie einem Multispektralsensor mit fünf Kanälen (grün, rot, red edge, nahes Infrarot). Die Kameraaufnahmen wurden mit GNSS-Korrekturdaten in Echtzeit (RTK) ergänzt und zusätzlich per PPK (Post Processing Kinematic) nachverarbeitet, um maximale Genauigkeit zu erreichen. Dabei diente ein geodätisches Referenzpunktnetz nahe der Artigas-Station als Grundlage – ein entscheidender Vorteil, um über mehrere Jahre hinweg präzise Vergleiche zwischen den Messkampagnen zu ermöglichen. Insgesamt wurden über zwanzig Einzelflüge mit einer Bodenauflösung von fünf Zentimetern durchgeführt.
Technik trotzt widrigen Bedingungen
Technisch gesehen erforderte der Einsatz in der Antarktis eine präzise Planung, um auch bei tiefen Temperaturen, starkem Wind und teilweise sehr tiefliegender Wolkendecke eine sichere Befliegung zu gewährleisten. Daher wurden die Befliegungen auf mehrere Abschnitte entlang der Gletscherfront aufgeteilt. Die jeweiligen Startplätze wurden so gewählt, dass eine gute Übersicht und stabile Funkverbindung zur Drohne gewährleistet waren. Die Temperaturen beeinflussten nicht nur die Flugzeit – die pro Akku realistisch bei 15 bis 20 Minuten lag – sondern auch die Ladezyklen. Um flexibel auf Wetterfenster reagieren zu können, wurde im Feld ein Generator eingesetzt, mit dem die Akkus direkt vor Ort geladen werden konnten. Isolierboxen verhinderten zusätzlich ein zu starkes Auskühlen der Batterien.
Belastbare Daten in entlegenen Regionen
Die Befliegungen auf King George Island zeigen exemplarisch, welchen Beitrag moderne Drohnentechnologie zur Umweltforschung leisten kann – insbesondere in schwer zugänglichen Regionen wie der Antarktis. Durch die Kombination von RGB- und multispektralen Daten sowie präzise georeferenzierte Aufnahmen entstehen belastbare Datengrundlagen für die Langzeitbeobachtung von Gletscherrückgang und Veränderungen in den empfindlichen Ökosystemen der Polarregion.
Die svGeosolutions GmbH bringt in solchen Projekten nicht nur technisches Know-how ein, sondern auch Erfahrung im wissenschaftlichen Arbeiten unter Extrembedingungen. Die Daten der diesjährigen Kampagne werden derzeit gemeinsam mit Partnern in Chile und Deutschland ausgewertet. Eine Fortsetzung der Befliegungen im kommenden Jahr ist bereits geplant. Damit entsteht Schritt für Schritt ein hochauflösendes und kontinuierlich wachsendes Bild des Gletscherwandels – ein wichtiger Baustein für das Verständnis der klimatischen Veränderungen in der Antarktis.
Dr. Steffen Vogt bedankt sich ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen vom chilenischen Antarktisinstitut, der Universidad de Magallanes, sowie der chilenischen Luftwaffe und der chilenischen Flugsicherung für die außergewöhnlich gute Zusammenarbeit und die umfassende Unterstützung bei der Feldarbeit. Die reibungslose logistische, wissenschaftliche und operative Kooperation war eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Ablauf der Kampagne unter den besonderen Bedingungen in der Antarktis.
