Seit dem 22. Dezember 2000 gilt in der Europäischen Union ein einheitliches Wasserrecht. Dessen Grundlagen sind in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie festgelegt. Eine der zentralen Aufgaben ist es, den guten ökologischen Zustand bzw. das gute ökologische Potenzial an den Fließgewässern zu erreichen. So ist auch das Land Baden-Württemberg dazu verpflichtet, die Lebensraumfunktion der Gewässer im Land zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Die naturnahe Gestaltung der Gewässerstruktur als Voraussetzung für eine dauerhafte Ansiedlung von Pflanzen und Tieren ist dabei von entscheidender Bedeutung. Um die Ziele der WRRL zu erreichen, hat Baden-Württemberg die Landesstudie Gewässerökologie ins Leben gerufen. Es handelt sich dabei um ein Instrument zur zielorientierten Planung von Maßnahmen an den Gewässern I. und II. Ordnung. Dadurch erhalten die zuständigen Akteure für die Gewässerunterhaltung und -gestaltung wichtige Planungsgrundlagen für konkrete Gewässerstrukturmaßnahmen.
Landesstudie Gewässerökologie als zentrales Instrument
Die Landesstudie Gewässerökologie wurde zunächst an den Gewässern I. Ordnung – wie beispielsweise Neckar, Hochrhein oder Donau – erprobt. Mittlerweile wird die Methodik auch in ähnlicher Weise an den Gewässern II. Ordnung angewendet. Dabei werden die Gewässer in Betrachtungsräume mit einer Länge von wenigen km bis zu über 100 km unterteilt. Im Anschluss wird die jeweilige Gewässerstruktur analysiert, defizitäre Gewässerstrecken klassifiziert und der Umfang der erforderlichen Maßnahmen festgelegt.
Das Team der svGeosolutions GmbH wurde im Rahmen der Landesstudie Gewässerökologie vom Regierungspräsidium Tübingen damit beauftragt, aktuelle Datengrundlagen für vier Flüsse I. Ordnung zu erstellen. Neben drei Flüssen im Großraum Stuttgart (Fils, Aich und Lauter) sollte auch die Rot in Oberschwaben mittels Drohnenbefliegung erfasst werden.
Sorgfältige Planung für großflächige Befliegungen von großer Bedeutung
Die vier Gewässer weisen sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen für eine Drohnenbefliegung auf. Während Rot und Aich eher durch ländliches Gebiet fließen, durchfließen Fils und Lauter fast ausschließlich städtische Bereiche. Dies galt es im Rahmen der Flugplanung zu beachten. Zudem befinden sich Teile der Gewässer im Bereich der Kontrollzone des Flughafens Stuttgart. Aufgrund der langjährigen Erfahrung mit Befliegungen in Flughafennähe (z.B. Frankfurt, Düsseldorf, Berlin) war der Austausch mit der Deutschen Flugsicherung im Hinblick auf eine weitere Genehmigung unkompliziert. Im Bereich der Rot befindet sich zudem der Fliegerhorst Laupheim der Bundeswehr. Auch hier war es für die svGeosolutions GmbH aufgrund der entsprechenden Nachweise und der Eigenschaften der professionellen Vermessungsdrohne kein Problem, die entsprechende Freigabe zu erhalten. Da die ständige telefonische Erreichbarkeit während der Befliegung gewährleistet war, konnte die Befliegung auch kurzzeitig unterbrochen werden, um einem Bundeswehr-Tornado im Tiefflugtraining den Luftraum zu überlassen.
Für die Terminierung der Befliegungen war ein Höchstmaß an Flexibilität seitens der Befliegungsteams notwendig, da es enge Vorgaben hinsichtlich der Rahmenbedingungen einzuhalten galt. So war es wichtig, die Befliegungen an sonnigen Tagen im laubfreien Zustand zwischen Dezember und Februar durchzuführen und aufgrund des winterlichen Sonnenstandes die Mittagszeit zu nutzen. Zudem galt es, auf Schnee- und Eisfreiheit zu achten sowie nur bei klar definierten Wasserständen zu fliegen. Durch die – im Vergleich zum Flugzeug – deutlich geringeren Rüstzeiten war die Erfüllung dieser Anforderungen jedoch kein Problem.
Hochaufgelöste Orthophotos und 3D-Punktwolken
Nach Abschluss der Flugplanung wurde im engen Austausch mit dem Regierungspräsidium Tübingen definiert, wann die vier Flüsse jeweils erfasst werden sollen. Insgesamt wurden an sieben Flugtagen über 100 km Gewässerstrecke mit einer Streifenbreite von 100 m aus einer Flughöhe von etwa 100 m über Grund erfasst. Bei 51 Flügen mit einer Dauer von jeweils etwa 30 Minuten wurden ca. 50.000 Einzelbilder aufgenommen. Daraus wurden georeferenzierte Orthophotos mit einer Auflösung von 3 cm berechnet, die sehr viel mehr Details zeigen, als die Daten aus den Landesbefliegungen mit Auflösungen von 10 oder 20 cm. Zudem wurden sehr dichte 3D-Punktwolken aus den Bildern abgeleitet, die die Gewässerstreifen mit insgesamt etwa 15 Mrd. Vermessungspunkten abbilden.
Fazit: effizient, flexibel und detailliert
Alle Datenprodukte – von den georeferenzierten Einzelbildern über die Orthophotos bis zur 3D-Punktwolke – bieten aufgrund ihrer Aktualität und Detailtiefe eine hervorragende Datengrundlage für die Analysen. Die Kartierung von Fischhabitaten beispielsweise kann nun in großen Teilen vom Büro aus erfolgen und spart somit viel Zeit beim Außendienst. Zudem bieten die 3D-Daten aus der Befliegung noch viele weitere Anwendungsbereiche – von der Aktualisierung von Hochwassergefahrenkarten bis zur Vermessung von Bauwerken am Gewässer. Die Erfassung von Gewässern mit professionellen Vermessungsdrohnen stellt daher zukünftig eine kostengünstige und effiziente Alternative zu den bisher etablierten Verfahren dar.